Fleißig waren die Pet Shop Boys seit 2009: Zuerst das als großes Comeback von Kritikern und Fans gleichermaßen gefeierte „Yes“
und die Auszeichnung für das Lebenswerk bei den Brit-Awards. Anschließend die großartige „Pandemonium“-Tour und gleich mehrere CDs bzw. DVDs mit Live- und Recycling-Material für neue Fans oder solche, die noch nicht den gesamten Musikbestand der Band besaßen.
Als Kenner der Hit-Fabrik Tennant & Lowe dann schon mit einer längeren Auszeit rechneten, tauchte mit „Elysium“ ein sehr untypisches Album auf, das in seiner Machart darauf schließen ließ, jetzt wären die Herren in Würde gealtert und würden sich von trendigen Dancebeats verabschieden. Doch dann kam die Ankündigung eines weiteren Longplayers für den Sommer 2013.
Und hier ist er jetzt: „Electric“. Bereits beim ersten Durchhören wird klar, dass die Pet Shop Boys quasi zum Rundumschlag ausholen: Für Traditionalisten gibt es klangliche Anleihen in den 80ern und für die Jünger der David Guetta-Generation treibende Songs, wie die Hymne „Vocal“, die hier in einem YouTube-Video anzuhören ist:
Auch wenn „Electric“ das mittlerweile 12. Studioalbum der Boys in knapp drei Jahrzehnten ist, erfinden sie sich erstaulicherweise immer wieder neu. Zwar gibt es einige Anleihen an Songs, die man aus den 80ern gut in Erinnerung hat, aber die Kombination mit treibenden Housebeats begeistert. Gemeinsam mit Produzent Stuart Price ist ein sehr stimmiges Gesamtkunstwerk entstanden, wobei neben dem bereits oben erwähnten „Vocal“ vor allem „Thursday“ (mit Rapper Example) und „The last do die“ überzeugen. Letzteres klingt vom Text her wie ein typischer PSB-Song, ist aber eine Cover-Version von Bruce Springsteen. Er war es ja, der mit „Born in the USA“ den wohl am meisten (absichtlich) missverstandenen Rocksong der Musikgeschichte verbuchen kann und nun von der vielleicht am meisten unterschätzten Pop-Band überhaupt eine Hommage erhält.
Unsere Meinung zu „Electric“:
Wer sich die drei letzten Alben der Pet Shop Boys anhört, wird vielleicht erstaunt sein, wie groß die Unterschiede im Arrangement sind und welche Bandbreite die beiden Herren aufweisen. Doch rückblickend auf ihre Produktionen aus den 90er-Jahren wird klar, dass sie immer schon unkonventionell unterwegs waren. Dabei haben sie teilweise Trends exakt getroffen oder sind andererseits komplett gegen den Strom geschwommen, ganz nach Belieben und persönlicher Befindlichkeit. Dass nun – wo es ja mit Riesenschritten Richtung 60er geht – eine derart trendige Dance-Produktion erschienen ist, erfüllt auch die kühnsten Träume der Fans. Andererseits bietet „Electric“ auch das Potenzial völlig neue Zielgruppen anzusprechen, die bislang wenig mit dem Popduo anfangen konnten.
Nach wie vor ist Neil Tennants Stimme frisch und in einer Weise klar, dass man meinen könnte, er hätte gerade eben „West End Girls“ zum ersten Mal eingesungen und würde darauf warten, dass es vielleicht zu einem kleinen Hit in den Clubs wird. Beim Zuhören schleichen sich mehrere Songs von „Electric“ unweigerlich in die Gehörgänge ein und sind von dort nicht mehr zu vertreiben. Ganz große Popmusik mit 80er-Jahre-Flair, wie man sie heute fast nicht mehr geliefert bekommt, trifft auf die zeitgemäßen Sounds von 2013: Da sind die bekannten Streicherlandschaften und Bassläufe vom Album „Actually“, die auf verfremdete Gitarren treffen und am Weg noch etwas Trance-Atmosphäre aufschnappen, um dann am Dancefloor in Extase zu münden. Einfach brilliant!
Unsere Bewertung von „Electric“: [ratings]
Anspieltipps:
- „Vocal“ ist nicht nur der herausragendste Track des Albums, sondern könnte zu einer neuen Hymne für die Pet Shop Boys werden.
- „Thursday“ bietet einen wunderbar produzierten Song, bei dem nicht nur Keyboarder Chris Lowe ein paar kurze verbale Einwürfe machen darf, sondern Rapper Example einen perfekten Kontrast zum typischen Neil Tennant-Unterton darstellt.
- „The last to die“ macht deutlich, dass die Boys weit mehr sind als Karaoke-Musiker, denn der Springsteen-Song wirkt wie aus aus einem Guss und macht aus einem eher unspektakulären Titel ein Meisterwerk.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Welche Überraschungen hat das kongeniale Team Tennant/Lowe in nächster Zeit noch zu bieten? Immerhin ist „Electric“ der erste Longplayer, der auf ihrem eigenen Label X2 erschien und markiert also gleichzeitig einen Neubeginn, nachdem die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Parlophone beendet wurde. Es scheint wohl, dass noch mit Überraschungen zu rechnen ist …
Und wenn man die beiden Musiker bei Live-Events – wie etwa der Olympia-Eröffnung – sieht und sie dort ihren Stadionknaller „Go west“ schmettern oder mit „West End girls“ die inoffizielle Hymne der britischen Hauptstadt zum Besten geben ist klar: Sie gehören längst zum Pop-Inventar und sind nicht mehr aus unserer jüngeren Musik-History wegzudenken.
Unser Tipp: Das Album „Electric“ von den Pet Shop Boys und können Sie als CD und MP3 bei Amazon.de bestellen. Wenn Sie sich übrigens für ein physisches Album entscheiden, brauchen Sie nicht auf die Lieferung der CD zu warten, sondern können per AutoRip sofort auf die MP3-Version des Albums zugreifen. Dort gibt es auch eine weitere Rezension unserer Redaktion nachzulesen. Alle weitere Infos und Hintergründe finden Sie natürlich auf der offiziellen Website unter www.petshopboys.co.uk. (Cover: Amazon.de)